Heinkel-Tourist, der Zweirad-Luxusliner

 

In einer Zeit, in der sich der Motorroller wieder neuer Beliebtheit erfreut, möchten wir daran erinnern, dass im Deutschland der fünfziger und sechziger Jahre neben so klangvollen Namen wie Messerschmitt, Goggo, Maico, DKW, Victoria u.v.a.m. auch die Heinkelwerke in Stuttgart-Zuffenhausen Zweiräder bauten.

 

Professor Dr. Ernst Heinkel wurde am 24. Januar 1888 zu Grunbach im Remstal geboren. Nach dem Abitur und einem Maschinenbaustudium kam er zur Fliegerei und baute mit einem von Daimler-Benz geliehenen Motor sein erstes Flugzeug. Ernst Heinkel schuf unter Anderem auch das erste Strahltriebwerk-Flugzeug der Welt (27.08.1939) und während des Dritten Reichs einen Großteil der Flugzeuge für die Luftwaffe. Darüber hinaus war er an zahlreichen Erfindungen beteiligt.
Dem Umstand, dass Ernst Heinkel nach Kriegsende bis 1950 durch Vorschriften und Verbote der Alliierten in seinem Tatendrang eingeengt war, haben wir es zu verdanken, dass in dieser Zeit die ersten Ideen zum Bau eines Motorrollers entstanden. Am 1. Februar 1950 erhielt Ernst Heinkel sein Werk in Stuttgart zurück, durfte jedoch weiterhin nicht im Flugzeugbau tätig werden. So führte der Neubeginn nach dem Kriege von der Lohnfertigung über den Bau von Getrieben und Motoren zur Konstruktion des ersten Motorrollers.

 

In der Zeit von 1954 – 1964 wurden fünf Typen des Motorrollers "Tourist" gebaut, die eine ständige Weiterentwicklung darstellten. Die Technik mit 4-Takt-Motor, Teleskopfederung vorne, Einarm-Schwinge mit Teleskopstoßdämpfer hinten, Antriebskette im Ölbad, Ritzellager konzentrisch mit Schwingenlager (konstante Kettenspannung), 12-Volt-Anlage und Elektrostarter war ihrer Zeit voraus und die Fahrleistungen mit 9,5 PS und 95 km/h denen der damaligen Motorräder ebenbürtig.


Nicht zu vergessen sind die Ideen bis hin zur Produktion des technisch nahezu perfekten Mopeds "Heinkel-Perle" und, dem Trend der Zeit folgend, die der "Heinkel-Kabine" und des Zweitaktrollers "Heinkel-150". Über 50 Jahre nach Produktionsende, – die jetzige DaimlerChrysler AG erwarb das Werk Zuffenhausen geraume Zeit später – sind beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg heute noch ca. 5.750 Heinkel-Fahrzeuge zum Straßenverkehr zugelassen – nicht nur funktionsbereit, sie werden auch gefahren. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Oldtimern, bei denen das Halten der Fahrzeuge in der Regel ein kostspieliges Hobby ist, bedingt durch die schwierige Verbrauchs- und Ersatzteilbeschaffung, oft bis hin zur Einzelanfertigung, ist die Versorgung für alle Heinkel-Fahrzeuge durch die clubeigene Heinkel-Fahrzeugteile-Vertriebs-GmbH wirtschaftlich erschwinglich sichergestellt.

 

Der Heinkel-Club Deutschland e.V. unterstützt seine Mitglieder neben der Ersatzteilversorgung und deren Koordination auch durch Anleitungen und hält überregionale Kontakte zu Teileherstellern, Zulieferfirmen und ausländischen Heinkel-Interessenten. Zu diesem Zweck sammelt und archiviert der Verein Unterlagen und Material über alle Heinkel-Kraftfahrzeuge. Die Erhaltung, Wiederherstellung und Pflege der Fahrzeuge umfasst auch die Förderung der zwischenmenschlichen Kontakte seiner Mitglieder und wird begleitet durch die – leider bei vielen Vereinen herrschenden – Probleme in der Nachwuchsfrage.